Viermal jährlich erscheint der Gemeindebrief der Evangelischen Gemeinde, in dem das „Stiftungsjournal“ des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes (unser DEI auf dem Ölberg) enthalten ist. Die vier Ausgaben kosten jährlich 40 Euro für die gedruckte Ausgabe inkl. Versand oder 10 Euro für die E-Mail-Version. Mitglieder des Freundeskreises unserer Gemeinde erhalten den Gemeindebrief kostenlos.
In der Herbstausgabe 2024 geht es um die Zeit.
Im Editorial schreibt der Propst:
„Einszweidrei, im Sauseschritt
Läuft die Zeit; wir laufen mit.“
Wilhelm Buschs Zweizeiler aus seinen Bildergeschichten von 1877 ist sprichwörtlich geworden. Illustriert hat er ihn damals mit weitausholenden Schritten eines Mannes mit Sense und Stundenglas in den Händen. Unsere Lebenszeit läuft und ist begrenzt. Volle Zustimmung, ganz klar!
Seit dem 7. Oktober ist für viele Menschen im Heiligen Land aber gewissermaßen die Zeit stehengeblieben. Trauer und Entsetzen über Terror und Krieg sind unverändert: nichts wird besser, so fühlt es sich in Gesprächen und bei der Zeitungslektüre an, Hass und Aussichtslosigkeit regieren und können anscheinend immer noch wachsen. An den Bedrohungslagen ändert sich wenig. Mühsame Zeit, bleierne Zeit, so fühlt es sich für Viele an: Die Zeit läuft, wir kommen aber nicht mit, sondern werden überrannt oder zurückgelassen.
Als christliche Gemeinde gehören wir auch in bleierner Zeit stur zu denen, die dem Hass und der Aussichtslosigkeit nicht glauben wollen und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft hoch halten. Ines Fischer stellt uns eine Konferenz mit 50 beteiligten Organisationen vor, eben solche Hoffnung in politische Wirklichkeit überführen wollen.
Was hat es eigentlich mit der Zeit auf sich – hinausgedacht über unsere Gegenwart mit all ihren Problemen? Aus unterschiedlichen Perspektiven gehen wir dieser Frage in unserem Gemeindebrief nach. Vielleicht hilft uns das ja, den Blick zu weiten und dabei Hoffnung zu schöpfen.
Also stellt uns Dalia Marx Eckpunkte der jüdischen Zeitrechnung vor. Es geht u.a. um den Abgleich von Mondjahr und Sonnenjahr: unsere „gefühlte“ Zeit mit all ihren Problemen und Freuden mag noch so dominant wirken, sie hat immer die kosmische Zeit als durchaus wohltuendes Gegenüber. Was Gottes Festzeiten sind, bestimmen Menschen aus dem Volk Israel: „ Die Festlegung des Kalenders ist ein gemeinsames Werk von Himmel und Erde, von Gott und Mensch.“ Aus den Jahresfesten ziehen Menschen im Judentum – und ebenso im Christentum und im Islam – Orientierung und Kraft.
Für die christlichen Festtermine ist das ähnlich zu sagen. Dieter Vieweger beschreibt, „wie der christliche Kalender erfunden wurde“. Katja Soennecken skizziert die jüdische Apokalyptik; im gegenwärtigen Durcheinander der Welt werden andere, aber doch teilweise verwandte apokalyptische Weltbilder für viele Menschen bedeutsam.
Hinzu kommen persönliche Perspektiven auf die Zeit: Jakob Eißner widmet sich dem Thema „Zeit und Zeitgeist“ und ist dabei in seiner Argumentation ganz im Heiligen Land – so wie Diet Koster mit ihren Gedanken zu Bukra, fil mishmish, die fröhlich-tiefen Einblick ins hiesige Zeitverständnis geben. Georg Rössler zeigt, welch entscheidenden Einfluss das jeweilige Verständnis von Zeit auf die zentrale Frage des Nahost-Konfliktes hat: Wem gehört das Land?
„Wir können die Zeit totschlagen oder in Dienst stellen. Wir können einander Zeit stehlen und Zeit schenken“, schrieb der Pfarrer, Professor und Dichter Klaus-Peter Hertzsch aus Jena vor Jahren in einem kleinen, klugen Artikel zum Beginn der Weihnachtsgeschichte. Den haben wir quasi als biblisch fundierten Kompass abgedruckt: „Für wen haben wir Zeit? Wer braucht sie? Lassen wir uns nicht verführen durch die falsche Behauptung: Zeit ist Geld. Zeit ist etwas viel zu Wertvolles, weil sie unwiederbringlich und immer einmalig ist. Sie ist etwas, das wir nicht nur für uns selber haben, weil sie auch uns immer nur geschenkt wird. Zeit ist unser größter Reichtum und unsere wichtigste Verantwortung.“ So ist das nämlich.
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Bestellung und Infos über Frau Sabine Hamdan, gemeindebrief@evajerusalem.org.