Die Erlöserkirche
Die Überlieferung erzählt, dass bereits Karl der Große das Gelände, auf dem die Erlöserkirche heute steht, zu Beginn des 9. Jahrhunderts als Geschenk des Kalifen Harren al-Raschid erhalten habe. Im Jahre 1064 ging das Grundstück in den Besitz eines Kaufmanns aus Amalfi über. Die Kirche Santa Maria Latina und ein zugehöriger Konvent entstand. Der Mönchskonvent formierte sich zu Beginn der Kreuzfahrerzeit 1099 als Hospitaliter- bzw. Johanniterorden und widmete sich der Versorgung und Pflege der Pilger*innen. Nachdem die Kreuzfahrer nach der Rückeroberung Jerusalems durch Saladin das Land verlassen mussten, lagen die Gebäude über Jahrhunderte verlassen da und verfielen langsam. Mit den Erweckungsbewegungen des 19. Jahrhunderts wuchs ein neues, breites Interesse europäischer Christ*innen am Heiligen Land. Im Jahr 1869 konnte so der damalige Kronprinz Friedrich-Wilhelm den östlichen Teil des alten Muristan für Preußen in Besitz nehmen. Bereits 1871 wurde die Johanniterkapelle im ersten Stock des Kreuzgangs (wahrscheinlich das Refektorium der Benediktiner, die das Gebäude einst bewohnten) wiederhergestellt und für die deutschsprachigen Gottesdienste genutzt. Gleichzeitig erhielt der Berliner Architekt und Bauhistoriker Friedrich Adler den Auftrag, die Erlöserkirche auf dem Grundriss der ehemaligen romanischen Kirche Santa Maria Latina zu errichten. 1893 wurde der Grundstein der Kirche gelegt.
Am Reformationstag, dem 31. Oktober 1898, wurde sie in Gegenwart des deutschen Kaiserpaares eingeweiht.
Lage
Die Erlöserkirche steht auf dem Gebiet des so genannten Muristan. Der Name kommt aus dem persischen „Bimaristan“, Krankenhaus, weil nach der Vertreibung der Kreuzfahrer Muslime hier ein Krankenhaus unterhielten. Nur ungefähr hundert Meter entfernt befindet sich die Grabeskirche. Um die Zeitenwende war dieser Ort einer der höchsten Punkte der damaligen Stadt.
Das Gebiet um die heutige Erlöserkirche kam 1869 in den Besitz Preußens. Zunächst beabsichtigte man den unmittelbaren Wiederaufbau der noch in Ruinen erhaltenen Kreuzfahrerkirche St. Maria Latina aus dem 12. Jh. n. Chr. Bei den ersten Grabungen und Untersuchungen des Geländes entschied man sich aber für einen kompletten Neubau – die heutige Erlöserkirche.
Die Erlöserkirche wurde in den Jahren von 1893 bis 1898 nach Plänen des Architekten Friedrich Adler errichtet. Sie befand sich nun exakt zwei Meter über ihrem Vorgängerbau aus der Kreuzfahrerzeit. Sie wurde am Reformationstag des Jahres 1898 im Beisein des deutschen Kaisers Wilhelm II. und seiner Frau Kaiserin Auguste Victoria eingeweiht.
Kirchenraum
Die Kirche erhielt ihre heutige Ausstattung während der Renovierung in den Jahren 1970 bis 1974. Die ursprüngliche Innenausstattung der wilhelminischen Kirche wurde bei diesen Renovierungen radikal verändert. So entfernte man Altar und Kanzel sowie sämtliche Malereien und Mosaike an den Wänden und in der Kuppel. Heute erinnern nur noch ein Christusmosaik und die Fenster in der Mittelapsis an die frühere Gestaltung.
Unter der Apsis des nördlichen Seitenschiffes steht heute der Taufstein; dahinter wurde im Jahr 1998 ein Vortragekreuz aufgestellt, welches der Künstler Hubertus von Pilgrim für die Kirche geschaffen hat. Die Ikone in der Apsis des südlichen Seitenschiffes wurde zum Jerusalemer Ökumenischen Kirchentag 1991 von Benediktinerinnen aus dem Ölberg geschrieben. Sie erinnert an die Geschichte Noahs und zeigt Christus als Ebenbild des Vaters, wie er den Regenbogen als Zeichen des Friedens in die Wolken setzt.
Die im neuromanischen Stil gebaute Kirche ist heute das Zentrum der deutsch- und der arabischsprachigen sowie weiterer protestantischer Gemeinden Jerusalems.
Christusmosaik
Nach den umfangreichen Renovierungsarbeiten an der Erlöserkirche ist lediglich das Mosaik des Christuskopfes in der Hauptapsis erhalten geblieben. Durch diesen Christuskopf lässt sich eine Verbindung von Wilhelm II. zu Kaiser Konstantin ziehen:
Das Motiv der Hauptapsis vor der Renovierung erinnert an die Apsis der Lateranbasilika in Rom, die von Konstantin in Auftrag gegeben worden war. Und auch dort befindet sich ein sehr ähnlicher Christuskopf.
Mit dem Bau der Erlöserkirche sieht sich Wilhelm II. in der Tradition Konstantins.
Das schöne Mosaik zeigt seine Wirkung, denn an jedem Platz in der Kirche steht man in Augenkontakt mit Christus.
Kirchenfenster
Die Kirche von 1898 besaß farbige Glasfenster mit ornamentalen Mustern in den vorherrschenden Farben Rot und Gelb, wie sie heute noch in der Hauptapsis zu sehen sind.
Diese Fenster wurden in den Kriegen 1948 und 1967 stark beschädigt, sodass 1971 neue Glasfenster angefertigt wurden.
Sie stammen von der jüdischen Glasmalerin Anna Andersch-Marcus (1914-2005).
In drei verschiedenen Höhen angebracht, wird aus abstrakten Formen und Farbflächen das übergreifende Thema entwickelt: „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu Dir. Herr, höre meine Stimme“ (Psalm 130,1-2)
Turm und Glocken
Von der Kirche aus kann man auf den Turm steigen. Insgesamt 177 Stufen führen zunächst zum Glockengeschoss.
Inschriften der drei Glocken (alle vom Glockengießermeister Franz Schilling aus Apolda hergestellt):
Vom Glockengeschoss aus führt eine weitere Treppe zum obersten Arkadengeschoss in ca. 40 m Höhe. Der Glockenturm ist der einzige im Zentrum der Altstadt. Daher bietet sich hier ein umfassendes und einzigartiges Panorama: Unmittelbar neben der Erlöserkirche sind die gedeckten Basarstraßen und die Wohnquartiere des Jüdischen, Christlichen, Armenischen und Muslimischen Viertels zu sehen.
Nach Süden schaut man über die Davidstraße zum Jüdischen Viertel mit der Klagemauer. Jenseits der Stadtmauer befindet sich die Davidstadt.
Im Südwesten blickt man über das Armenische Viertel auf die Dormitio Abtei. Weiter westlich erhebt sich die sog. Davidszitadelle vor dem Panorama der Neustadt.
Unten neben der Erlöserkirche befindet sich der „Muristan“ im Christlichen Viertel der Stadt. Die Salvatorkirche der Franziskaner dominiert den Nordwesten dieses Viertels.
Direkt im Norden der Erlöserkirche befindet sich mit der Grabeskirche der heiligste Ort der Christenheit. Nordöstlich davon überblickt man das arabische Viertel mit dem Österreichischen Hospiz, der St. Annenkirche am Teich Bethesda und der Via Dolorosa.
Im Osten der Erlöserkirche befindet sich der ehemalige jüdische Tempelberg, der heutige Haram esch-Scharif mit dem Felsendom und der El-Aqsa-Moschee. Schließlich blickt man jenseits des Kidrontales zum Skopusberg mit der Hebräischen Universität und zum Ölberg mit den Himmelfahrtkirchen, dem jüdischen Friedhof sowie dem „Auguste Victoria Compound“, wo unsere Himmelfahrtkirche, das Auguste-Victoria-Begegnungszentrum mit dem Café und das Deutsche Evangelische Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes (DEI) beheimatet sind.
Orgel
Die aktuelle Orgel der Erlöserkirche wurde 1971 von der Berliner Orgelbauwerkstatt Karl Schuke GmbH auf der neu errichteten Westempore gebaut. Sie ersetzte die alte Orgel, die mit dem Neubau der Kirche von der Berliner Firma Dinse gebaut und 1938 von Weigle aus Stuttgart auf 33 Register erweitert worden war. Von dieser Orgel, die etwas erhöht im linken Querschiff stand, wurden einige Gehäuseteile beim Bau der Orgel in der Aula der Universität Haifa wiederverwendet.
Die aktuelle Schuke Orgel wurde 1984 um drei Zungenregister erweitert und hat seitdem 21 Register auf zwei Manualen und Pedal. Die Spiel- und Registertraktur ist mechanisch.
Neben der Orgel gibt es noch eine sogenannte Chororgel. Die Chororgel der Erlöserkirche steht im nördlichen Seitenschiff. Sie wurde 1965 von der Firma Alfred Führer aus Wilhelmshaven erbaut. Seit dieser Zeit stand sie auf der Orgelempore der Johanniterkapelle im Kreuzgang der Erlöserkirche. 2015 wurde sie in die Erlöserkirche umgesetzt und fahrbar gemacht. Die Stimmung wurde derjenigen der großen Orgel angeglichen.
Ausstellung
Die Ausstellung im mittelalterlichen Kreuzgang präsentiert Exponate aus der Geschichte der Erlöserkirche und des sie umgebenen Wohnviertels, des „Muristan“ und beschreibt die Fragestellungen und die Arbeitsweise von Archäologen. Im Mittelpunkt des Interesses stehen die Funde aus den Zeiten Herodes des Großen, Jesus von Nazareth und der Kaiser Hadrian und Konstantin. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Geschichte des mittelalterlichen „Muristans“ und des damaligen Pilgerlebens. Der Gang „Durch die Zeiten“ endet folgerichtig mit der heutigen kirchlichen Arbeit von „Evangelisch in Jerusalem“ und weiterer protestantischer Gemeinden an diesem Ort.
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Ausgrabung
Bei den Ausschachtungsarbeiten zur Errichtung der Erlöserkirche kam es 1893 zu einer archäologischen “Sensation”: Bauarbeiter stießen auf eine Mauer, die Gelehrte als die antike Stadtmauer zur Zeit Jesu identifizierten, von der schon der jüdische Geschichtsschreiber Josephus Flavius berichtet. Die sogenannte “Zweite Nordmauer Jerusalems” schien gefunden.
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